Viel schneller als gedacht ist das erste Semester meiner Ausbildung zur Fremdenführerin bereits Geschichte. Unzählige Wochenenden, spannende Stunden und eine sehr gelungene Abschlusspräsentation liegen hinter mir – Zeit für einen kurzen Abstecher in die wunderschönen Tiroler Berge, um wieder Kraft zu tanken.
Zugegeben, kurz trifft es nicht ganz, aber wunderschön in jedem Fall. Das Tuxer Joch zu überqueren, stand schon lange auf meiner Wunschliste. Bis in die Mitte des 14. Jahrhunderts mussten die Hintertuxer ihre Verstorbenen 27 Kilometer über das besagte Joch nach Steinach am Brenner tragen, damit sie in geweihte Erde ihre ewige Ruhe fanden. Grund dafür war ein Pfarrzwang, denn Hintertux (im Zillertal gelegen) gehörte bis ins Jahre 1483 kirchlich gesehen zu Steinach, das bekanntlich im Wipptal liegt. Diese Überquerung wollte ich selbst erwandern und vergangenen Samstag war es endlich so weit. Die Rücksäcke hatten mein Mann und ich schon am Vorabend gepackt, denn unsere Wanderung startete um 7.09 Uhr am Bahnhof Kufstein per Zug, der uns ins idyllische Bergsteigerdorf St. Jodok brachte, weiter mit dem Taxi ins Schmirntal, ein Naturjuwel der Extraklasse.
Vom ursprünglichen Alpengasthof Kasern in Innerschmirn machten wir uns schließlich zu Fuß auf den Weg. Strahlender Sonnenschein sowie das Plätschern des Baches begleiteten uns die zwei Stunden hinauf auf das Joch. Auch wenn der einstige Steig zum Großteil einem neu angelegten Mountainbike- und Wanderweg weichen musste, dachten wir immer wieder an die Leichenzüge, an die enormen Strapazen und nicht zuletzt an die psychischen Belastungen, die die Hinterbliebenen auf diesem traurigen, letzten Gang zu erleiden hatten. Heute – beinahe 600 Jahre später – erinnert das Kreuz am Tuxer Joch mit seiner Inschrift an die ehemalige Verbindung, die politisch erst 1926 getrennt wurde und fortan Hintertux zum Zillertal gehört.
Das Olperermassiv im Rücken und das Weitental vor uns marschierten wir am spektakulären Schleierwasserfall vorbei nach Hintertux. An kleinen Schneefeldern, blühenden Blumen und duftenden Kräutern entlang wanderten wir talauswärts bergab. Das Pfeifen der Murmeltiere machte die Idylle komplett, die auf den letzten Metern durch unseren Blick auf das Hintertuxer Gletscherschigebiet mit den unzähligen Liftstützen und Lawinenverbauungen jäh durchbrochen wurde. Unserer Hochstimmung tat dies aber keinen Abbruch, als wir im Bus nach Mayrhofen rollten. Mit der Zillertalbahn zuckelten wir nach Jenbach – ein perfekter, entschleunigter Ausklang unserer Überquerung – und sprangen in letzter Minute in den Zug zurück nach Kufstein.
Geschafft – im wahrsten Sinne des Wortes und trotzdem voller Energie!